Zwischen Singzikaden und Plastikstühlen – Die EUDEC-Konferenz 2018

40 Grad im Schatten. Ich schwitze und habe doch gerade erst geduscht. Es windet und das dunkelgrüne, leicht zerfledderte  Sonnensegel drückt sich alle paar Sekunden erbarmungslos gegen meinen Kopf. Im Hintergrund machen die Singzikaden einen Lärm, der einen durchaus aggressiv werden lassen kann. Kann die nicht mal jemand abschalten? Trotzdem fühle ich mich gerade rundum zufrieden und erfüllt.

Konferenz
Die EUDEC feiert dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum

Ich bin auf der Konferenz der European Democratic Education Community (kurz: EUDEC), dem Dachverband der Demokratischen Schulen Europas. Einmal im Jahr treffen sich SchülerInnen, LernbegleiterInnen, angehende SchulgründerInnen, Studierende und alle die Lust auf Demokratische Schulen haben für ca. eine Woche, um Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und einfach eine gute Zeit zu haben.

Dieses Jahr sind wir in Korfés, einem winzigen griechischen Dorf mit ca. 250 Einwohnern mitten auf Kreta. Zur Konferenz sind ca. 400 Teilnehmer gekommen. Das Dorf ist in Aufruhr.

Ich schaue auf die Uhr es ist halb vier. Seit ca. fünf Stunden sitze ich nun schon auf meinem typischen weißen Plastik-Campingstuhl und habe ich mich kein einziges Mal bewegt. Eigentlich wollte ich nach dem Frühstück hier nur kurz fünf Minuten entspannen und dann zum ersten Workshop gehen, doch Pustekuchen. Spannende Gespräche ergeben sich hier im Minutentakt.

Zuerst sitze ich mit Tobi zusammen (zu Tobis Artikel). Tobi promoviert über Demokratische Schulen und ist auf der Suche nach Schulen, mit denen er gemeinsam forschen kann. Er wünscht sich, dass sich die ganze Bewegung mehr der Wissenschaft hin öffnet. Nur so könne man langfristig eine breite Akzeptanz dafür bekommen und auch Ministerien und Regierungen überzeugen. „Nur mit Gefühlen gewinnst du keine Gerichtsverhandlung!“. Viele Schulen zögern jedoch vor diesem Schritt, aus Angst vor einer falschen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Doch Tobi ist zuversichtlich, noch hat er ein paar Tage Zeit in guten Gesprächen die eine oder andere Schule zu überzeugen.

Konferenz
Die Augsburger von der Gründungsinitiative „Luana“

Austausch, Rat und Inspiration

Später sitze ich mit den Jungs und Mädels der Gründungsinitiative Augsburg zusammen. Diese arbeiten seit drei Jahren intensiv an der Gründung einer Demokratischen Schule. Haben ein über 200 Seiten langes fertiges  pädagogisches Konzept, dutzende Infoveranstaltungen abgehalten und die komplette Zivilgesellschaft in Augsburg hinter sich. Schüleranmeldungen gibt es auch. Nur ein Gebäude fehlt noch. Doch das größte Problem ist die Genehmigung. Der Ablehnungsbescheid traf vor ca. zwei Wochen ein. „Die Behörden haben uns gesagt, dass wir gar nicht auftauchen brauchen, weil sie das nie und nimmer genehmigen“, klagt Karl sein Leid. „Die haben sich damit gar nicht richtig auseinandergesetzt, sondern nur Befehle von oben befolgt.  Das sieht man daran, dass wir den exakt gleichen Ablehnungsbescheid wie andere Initiativen aus Bayern bekommen, obwohl die von einer ganz anderen Behörde bearbeitet werden.“ Lena von der Initiative Würzburg nickt zustimmend. Ratlosigkeit scheint sich breit zu machen, doch dann setzt sich Robert dazu und gibt ein paar gute Tipps, wie man weiter vorgehen könne.

Robert hat die INFINITA in Steinhorst in Schleswig-Holstein gegründet. Heute sei die Schule sehr beliebt bei den örtlichen Behörden, doch am Anfang standen sie genauso vor verschlossenen Türen, wie viele Gründungsinitiativen in ganz Deutschland. Seine aufmunternden Worte tun gut.

Konferenz
Austausch zwischen Schulgründern und jenen, die es werden wollen – Robert von der INFINITA und Mirka von der Gründungsinitiative Kiel

Spontan nimmt sich Robert anschließend eine Stunde Zeit und erklärt mir ausgiebig, wie ein solider Finanzplan einer Schule aussehen sollte. Gekonnt manövriert er mich durch unzählige bunte Excel-Tabellen und spricht energisch über Schüleranmeldezahlen, Versicherungen und Fortbildungszuschüsse. Ich versuche zu folgen. Und überlege kurz, ob ich meine ambitionierten Schulgründungspläne über den Haufen werfen soll.

Verrückte Ideen nach vielen Stunden

Für so etwas in die Konferenz perfekt. Es gibt Zeit, um sich ausgiebig zu unterhalten. Zeit, um die Leute auszufragen, die den Prozess einer Schulgründung von Anfang bis Ende durchgegangen sind. Zeit, um die vielen kleinen, aber total wichtigen Details zu erfahren.

Danach sitze ich wieder mit den Augsburgern zusammen. Die Gedanken und Gespräche werden verrückter. Ob das an der produktiven Mischung der anwesenden Personen oder der sengenden Hitze liegt, ist schwer zu sagen. „Wie wäre es, wenn wir spontan eine Freie Schule in Thüringen gründen? Die haben aktuell einen linken Bildungsminister. Der müsste der Sache doch positiv gegenüberstehen. Wir nehmen einfach unser Augsburger Konzept, verändern das Logo minimal und reichen nächste Woche den Antrag ein!“ „Und dann gründen wir ein mobiles Lehrerteam, welches ortunabhängig ist und dann für jeweils die nächste Schulgründung parat steh!“

Wir sind euphorisch und spinnen den Gedanken weiter. Wollen diese verrückte Idee ernsthaft prüfen. Dann schweift unser Gespräch aber doch in eine andere Richtung ab und wir verlieren die Idee in den nächsten Tagen aus den Augen.

Das ist vielleicht auch ein Kritikpunkt an der ganzen Veranstaltung. Zu wenig konkrete Dinge ergeben sich meiner Meinung nach.

Konferenz
Bei so viel Programm fällt die Auswahl oft schwer

Motivation ist wichtig

Kurze Zeit später sitze ich mit ca. 20 anderen Deutschsprachigen zusammen und wir diskutieren, inwiefern sich die Demokratischen Schulen auf deutscher Ebene vernetzen sollten. Alle sind natürlich für Vernetzung und die Motivation ist groß, sodass die Diskussion fast hektisch wirkt. Doch ich bleibe etwas skeptisch, weil wir genau vor einem Jahr in Paris in ähnlicher Konstellation zusammensaßen. Und was hatte sich im letzten Jahr getan? Wenig in meinen Augen. Vielleicht bin ich auch zu ungeduldig und vergesse das gerade Kooperationen und Veränderungen in Verbänden und Institutionen Zeit brauche. Immerhin sind wir ein bisschen vorangekommen. Ende des Jahres wird es ein EUDEC-Deutschlandtreffen in Freiburg geben, bei dem dann konkrete Schritte beschlossen werden sollen.

 

Es gibt sicherlich eine Sache, die die Konferenz bei allen Sachen auslöst. Motivation. Den Drang, Dinge zu bewegen und das Bildungssystem zu revolutionieren.

Und das finde ich total wichtig. Motivation ist schließlich eine Emotion, wie viele andere. Die kommt und geht. Deswegen will ich mich regelmäßig mit anderen Menschen umgeben, die etwas verändern wollen. Die Schulen gründen. Und alleine dieser neu gewonnen Motivation wegen, hat sich die Reise nach Griechenland gelohnt.

Nächstes Jahr findet die Konferenz in der Ukraine statt. Ich bin gespannt und freue mich darauf.

Die Bildungsrevolution hat begonnen!

 

Sonnige Grüße,

Flo

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