Zwischen Schulpflicht und Freiheit – kein Schatten ohne Licht

Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Circa 35 Augenpaare sind auf mich gerichtet. Die Hälfte davon mit Tränen gefüllt – Freudentränen. Meine Worte haben Herzen erreicht. Vor lauter Aufregung habe ich vergessen zu atmen. Als ich meinen Satz beende, klatschen alle und Taschentücher werden hervor geholt. Ich fühle mich so erfüllt, so hell, als wäre ich das Licht höchstpersönlich. Der erste PiA Erzieherkurs hat seinen Abschluss und ich darf eine Rede halten.Und meine Worte treffen mitten ins Herz. Nach der Zeugnisübergabe bedanken sich alle und sind begeistert von meiner Rede, erzählen davon, wie bewegt sie dadurch sind. Ich leuchte vor Freude und habe das Gefühl, ich kann die ganze Welt umarmen. Heute bin ich ein Lichtmensch.

Es gibt keinen Schatten ohne Licht

Das zweite Ausbildungsjahr zur Erzieherin endet gerade und ich lasse die letzten Monate noch einmal Revuepassieren. Und ich stelle fest, dass sich vieles geändert hat – allem voran mein Blickwinkel. Es gibt keinen Schatten ohne Licht.

Gerade das zweite Jahr hat mir nochmal mehr gezeigt, dass alles etwas Positives hat – und sei es noch so negativ.
Es gibt keinen Schatten ohne das Licht, so auch im Bildungssystem. Die Berufsschule wirft den Schatten auf mich, während die Freie Schule und das Licht spendet. Jedoch habe ich gemerkt, dass es auch im Schatten Lichtblitze gibt – als würden Blätter vom Wind verweht und einzelne Sonnenstrahlen sich durch das Geäst kämpfen. Diese Sonnenstrahlen sind Menschen, die ich kennengelernt habe. Menschen, die mich bewegen und die vor allem in mir etwas bewegen. Es gibt in diesem Schatten Lichtmenschen. Sie sind Rebellen auf ihre Art und Weise und kämpfen dafür, dass es menschlich bleibt in diesem System – dass nicht der Schatten übernimmt und das Licht sich nicht mehr schafft durch zu ringen.
Das ist einer meiner größten Mutmacher in meiner Ausbildung. Er lässt mich aufatmen, denn mit diesen Menschen an meiner Seite ist es leichter diesen Weg noch ein weiteres Jahr zu gehen. Um nach den Sommerferien zu sagen, es geht weiter und ich nutze das Licht, um den Schatten hinter mir zu lassen.

Dieser Weg ist verdammt hart

Ernüchternd ist, dass der Schatten an vielen Tagen auch das Gesicht der Lichtmenschen bedeckt und versucht sie für sich zurück zu gewinnen. Denn dieser Weg ist so verdammt hart. Immer wieder das Gefühl zu haben, von „Das Leben ist kein Ponyhof“-Mauern umgeben zu sein, die meine Sicht versuchen einzuschränken und mich drohen zu erdrücken. Doch jedes Mal gibt es Momente am Tag, an denen etwas es schafft, einen Lichtblitz erleuchten zu lassen. Meist sind es Erlebnisse, die geteilt werden, wonach man wieder weiß, wieso dieser Weg mit seinen Schatten- und Lichtseiten genau der ist, den man gehen will. Ich möchte von einem so wunderbaren Lichtmoment erzählen. Eine Meiner Mitschülerinnen erzählte mir, dass ein Kind klettern wollte und alle Erwachsenen es versucht haben, von seinem Tun abzuhalten. Sie hat sich vor dieses Kind gestellt und vor den Ängsten der Erwachsenen geschützt, indem sie diese aufgefangen und nicht zum Kind hat durchkommen lassen. Somit konnte das Kind seine eigenen Erfahrungen machen und war danach stolz auf sich und was es geschafft hatte.
Dann geht mein Herz auf und es fühlt sich an, als würde das Licht den ganzen Raum durchfluten und eine Schar Schmetterlinge diesem warmen Licht entgegen fliegen. Es stellen sich Leichtigkeit und innerer Frieden bei mir ein, wenn ich solche Erlebnisse erzählt bekomme.

Ich kann selber ein Lichtmenschen sein

Oft schleichen sich auch bei mir in der Berufsschule Schatten über mein Gesicht und ich suche das Licht – diese Schattenmomente scheinen Freunde von mir ebenso gut zu kennen. Mein Blickwinkel hat sich geändert, denn ich sehe, dass dieser Schatten nicht immer währt. Es ist an mir, dass ich diese Schatten sehe, aber nicht ewig bei mir wohnen lasse. Ich muss das Licht und meine Lichtmenschen suchen. Ich kann selber ein Lichtmensch sein. Somit kann ich dem Schatten im dritten Ausbildungsjahr entkommen und anderen Menschen und mir selbst Lichtblicke verschaffen. Dies kann ich, in dem ich Menschen Mut mache, ihr Licht zu sehen und es strahlen lassen.

Ich kann das mit Worten.

Wann immer ich merke, dass mich das Licht durchströmt und ich voller Energie bin, schreibe ich Worte nieder, um dieses Gefühl festzuhalten. Und dann teile ich diese Worte in kleinen Impulsen oder als ganzen Text. Ich schenke mein Leuchten, um zu begeistern und um mehr Lichter zu entfachen.

Ich habe gelernt, dass der Schatten eine Möglichkeit ist, das eigene Leuchten zu finden und dann zu strahlen. Und das Leuchten steckt an. Durch die Lichtmenschen in meinem Umfeld kann unser Licht gemeinsam heller werden und den Schatten verringern.
Auch, wenn es schattige Momente gibt – wir tragen das Licht in uns.

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